• Ein jüdischer Vater und sein Sohn blasen vor der Klagemauer in Jerusalem das Schofar. Photo Credit: Yonatan Sindel/Flash90
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„Rosch HaSchanah“: Juden feiern Neujahrsfest

Pfr. Kees De Vreugd - 24. September 2022

In Synagogen weltweit ertönen am Abend des 25. September 2022 die Schofarhörner. Sie läuten das neue jüdische Jahr 5783 ein. Im Judentum beginnt ein neues Jahr mit Tagen der Buße. Diese besondere Zeit erinnert an die erste Sünde der Menschen und sollte von Reue geprägt sein.

Am Sonntagabend feiern Juden das Neujahrsfest „Rosch HaSchanah“ und damit den Beginn des Jahres 5783. In der Bibel wird dieser Tag als „Tag des Posaunenblasens“ bezeichnet (Levitikus 23,24; Numeri 29,1). Traditionell wird daher an diesem Tag das Schofar geblasen, ein Widderhorn. Das soll die Gläubigen an ihre Pflichten erinnern. Am ersten Tag des zweitägigen Neujahrsfestes werden zudem traditionell Brot und Apfelschnitze mit Honig gegessen. Dies drückt die Hoffnung auf ein „süßes“ Jahr aus.

Die jüdische Tradition verbindet „Rosch HaSchanah“ (wörtlich: Kopf des Jahres) mit dem Beginn der Schöpfung. Es ist der Jahrestag der Erschaffung der Welt und der Menschheit.

„Rosch HaSchanah“ ist der erste von zehn so genannten Tagen der Ehrfurcht. Sie erreichen mit Jom Kippur, dem Tag der Versöhnung, ihren Höhepunkt. Biblisch gesehen konzentriert sich dieser Tag nicht auf Ereignisse in der Geschichte Israels, sondern auf das Persönliche, auf die Sterblichkeit und den Sinn des Lebens sowie auf den Herrn als Schöpfer und Richter der Menschen.

Der „Tag der Posaunen“ ist der Tag des Herrn, der Tag des Gerichts. Als Gott das Werk der Schöpfung vollendete, sah er, dass es „sehr gut“ war (1. Mose 1,31), und gab der Schöpfung damit Wert, Zweck und Sinn. Alle Jahre wieder stellt sich in dieser Zeit die Frage: Entspricht die Menschheit, entspricht die Welt dem Plan Gottes?

Der Einzelne steht vor dem Einen

Das zentrale Thema der Tage der Ehrfurcht ist daher die Prüfung. Der Einzelne steht vor dem Einen, der alles weiß. An „Rosch HaSchana“ wird entschieden, wer leben und wer sterben soll. In den jüdischen Gebeten heißt es immer wieder: „Schreibe uns in das Buch des Lebens.“ Wahre Gewissenserforschung, wahre Reue, während dieser zehn Tage wird die Entscheidung beeinflussen.

In den Gebeten dieser Zeit wird Gott als König und als Vater gepriesen. Das Schofar verkündet zuallererst, dass der Herr König und Herrscher ist. Aber es ist, wie der große, mittelalterliche jüdische Gelehrte Maimonides sagte, auch ein Weckruf: „Wacht auf aus eurem tiefen Schlaf, ihr, die ihr fest schlaft. Erforscht eure Taten und tut Buße.“ Drittens erinnert das Schofar an die Offenbarung am Sinai und ruft zu Gottes Barmherzigkeit auf.

An Jom Kippur schließlich wechselt der Ewige Richter von seinem Sitz der Gerechtigkeit zu seinem Sitz der Barmherzigkeit. Der letzte Ruf des Schofars, der den Jom-Kippur-Gottesdienst beendet, verkündet Leben und Barmherzigkeit. Das Volk Israel geht aus Jom Kippur wie neu geboren hervor. Wie ein anderer großer mittelalterlicher Gelehrter, Nachmanides, sagte: „Rosch Haschana ist ein Tag des Gerichts mit Barmherzigkeit; Jom Kippur ist ein Tag der Barmherzigkeit mit Gericht.“

 

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