Völkermord und Hungersnot? Diese und weitere Vorwürfe gegen Israel im Faktencheck
Israel sieht sich im Nachgang zum Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 mit schweren Vorwürfen hinsichtlich seiner Kriegsführung im Gazastreifen konfrontiert. In diesem Artikel begegnen wir vier Kern-Anschuldigungen, die gegen Israel erhoben werden, mit sauber recherchierten Fakten und der Einordnung von Ursache und Wirkung. Die Vorwürfe lauten, Israel verübe: Apartheid, Hungersnot und Völkermord. Außerdem wollen wir eine Einordnung zu den Opferzahlen geben.
Von Josias Terschüren und Matthias Messerle
Apartheid
Der Vorwurf, Israel habe dem palästinensischen Volk ein System der Apartheid auferlegt, ist eine scharfe Waffe der politischen Linken, die die Situation in den palästinensischen Gebieten mit der historischen Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung Südafrikas gleichsetzt und damit Terrorismus als legitimen Widerstand gegen Israel verharmlost und rechtfertigt. Zunächst muss diese Anklage genau untersucht werden und dabei in Bezug auf zwei Gebiete differenziert werden. In Israel selbst existiert keine Apartheid. Arabische Israelis (etwa 20 Prozent der Bevölkerung) können sich in Israel frei bewegen, nehmen an Wahlen teil und bekleiden teils hohe Ämter in Politik und Justiz sowie allen anderen Bereichen der Gesellschaft. Ein Blick in die Jerusalemer Straßenbahn oder ein beliebiges israelisches Krankenhaus reicht aus, den Apartheid-Vorwurf zu widerlegen, dort sitzen und arbeiten Juden, Araber, Christen und Drusen, Weiße, Braune und Schwarze neben- und miteinander.
Intellektuelle und Politiker wie etwa Jimmy Carter, Achille Mbembe, Desmond Tutu, Judith Butler, aber auch Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch sahen und sehen in Judäa und Samaria (Westjordanland) Merkmale eines Apartheidregimes. Dieser Vorwurf wird mit der Diskriminierung der ansässigen palästinensischen Bevölkerung zugunsten der israelischen Siedler begründet. Die Verwendung des Begriffs Apartheid ist allerdings aus guten Gründen umstritten, da viele der israelischen Maßnahmen (wie etwa der Bau von Sperranlagen, Checkpoints und Mauern sowie getrennte Straßen) dazu dienten und dienen, Terroranschläge – wie während der Zweiten Intifada von 2000 bis 2005 – zu verhindern. Dieser sicherheitspolitische Aspekt und damit das Prinzip von Ursache und Wirkung, wird von den Verfechtern der Apartheid-These geflissentlich ignoriert.
Dass auf die israelische Bevölkerung in Judäa und Samaria nationales israelisches Recht angewandt wird, ist nachvollziehbar und logisch. Umgekehrt könnte für die dortigen Palästinenser nur dann israelisches Recht gelten, wenn sie auch israelische Staatsbürger würden. Die Ausweitung des israelischen Grundgesetzes auf Judäa und Samaria hätte die Einverleibung ins israelische Staatsgebiet zur Folge, ein Ausgang, den die Propagandisten der Apartheid-Lüge kaum wünschen dürften. Gleichzeitig bedeutete dieser Schritt die Auslöschung Israels als jüdischen Staat auf demographisch-demokratischem Weg durch die Einbürgerung von etwa 2,5 Millionen Palästinensern. Dieser Umstand macht das derzeitige Rechtsgefüge zu einer temporären Notwendigkeit. Es ist die am wenigsten schlechte Lösung – pragmatisch, könnte man sagen. Überdies besteht die Möglichkeit, bei Rechtsstreitigkeiten Gerichte in Israel anzurufen. Es gibt viele Fälle, in denen zugunsten der Palästinenser entschieden wurde – auch hier gibt es keine Diskriminierung. Das duale Rechtssystem, das in Judäa und Samaria zurzeit herrscht, ist hauptsächlich der historischen Entwicklung und berechtigten Sicherheitsinteressen Israels geschuldet und kein Ausdruck einer gezielten Apartheid-Politik.
Hungersnot
Der Vorwurf, Israel würde die Bevölkerung im Gaza-Streifen verhungern lassen oder mutwillig aushungern, wurde zuletzt von einigen UN-Hilfswerken und -Institutionen erhoben und fand medial weltweit Verbreitung.
Der etwa vor dem Internationalen Strafgerichtshof bereits am 17. November 2023 von Südafrika erhobene Vorwurf, Israel würde Hunger gezielt als Waffe einsetzen, entbehrt jeglicher Grundlage. Israel gewährleistet und bewerkstelligt die Versorgung einer feindlich gesinnten Bevölkerung seit Beginn des Krieges. Der allein gegen Israel erhobene Vorwurf lässt auch völlig außer Acht, dass Ägypten ebenfalls über eine Grenze mit Gaza verfügt. Gäbe es tatsächlich eine Hungersnot in Gaza, wäre Ägypten ebenso verantwortlich und anzuklagen, wie Israel.
Es gab zwar von israelischer Seite im späteren Kriegsverlauf eine Pause in den Hilfslieferungen vom März bis 19. Mai 2025, nachdem die Hamas eine Verlängerung des Waffenstillstands und die Freilassung der Hälfte der Geiseln verweigert hatte. Doch zuvor hatte Israel genügend Hilfsgüter für eine halbjährige Versorgung des gesamten Gazastreifens passieren lassen, wie später geplünderte Warenhäuser voller von der Hamas konfiszierten Lebensmitteln und Gütern bewiesen.
Die UN hat einen etablierten Mechanismus zur Warnung vor und Feststellung von Hungersnöten. Nach der Integrierten Phasenklassifizierung der Ernährungssicherheit (Integrated Food Security Phase Classification, kurz IPC) werden Daten zur Versorgungslage gesammelt, ausgewertet und in 5 Stufen kategorisiert (von 1 minimal oder keine Hungersnot bis 5 Hungersnot / Katastrophe). Bevor eine Hungersnot deklariert wird, muss ein Expertengremium des Famine Review Committee (FRC) zusammenkommen, die Daten prüfen und dann eine Entscheidung treffen. In solch einem Fall wird mit einer Sterberate von etwa 2 Hungertoten pro 10.000 Einwohnern pro Tag gerechnet. Am 22. August 2025 erklärte das FRC in Gaza eine Hungersnot, Stufe 5 zum ersten Mal in der Geschichte des Nahen Ostens. Aufgrund intensiver Kritik an der Methodik sah sich das FRC sogar genötigt, ein Addendum zur Erklärung zu publizieren, doch die Kritik riss nicht ab. Der Autor und Nahost-Experte Salo Aizenberg publizierte eine Berechnung, der zufolge es in der Zeit nach der Einstufung durch IPC / FRC bis zum Waffenstillstand am 9. Oktober etwa 10.000 Tote hätte geben müssen. Tatsächlich weisen selbst die von der Hamas zu ihren Gunsten gefälschten Zahlen des Gesundheitsministeriums in Gaza aber lediglich 192 Hungertote für diesen Zeitraum auf. Diese Zahl ist tragisch, keine Frage, aber sie ist kein Anzeichen für eine mutwillig herbeigeführte Hungerkatastrophe. Im Gegenteil, sie beweist, dass es keine Hungersnot in Gaza gibt, bleibt sie doch statistisch betrachtet um 98% hinter den für diesen Fall zu erwartenden Todeszahlen zurück.
Israel bestritt den Vorwurf einer Hungersnot in Gaza vehement, so erklärte das Außenministerium : „Der IPC/FRC erklärte trotz gegenteiliger Beweise eine Hungersnot und passte sowohl seine Daten als auch seine Methodik an, um diese Schlussfolgerung zu stützen. Damit sollen die sehr realen Nöte der Zivilbevölkerung in Gaza nicht heruntergespielt werden. Israel unternimmt immense Anstrengungen, um diese Nöte zu lindern, zahlt einen hohen Preis in Form von Einschränkungen seiner Operationen und stellt einem kriminellen Gegner, der von der Umleitung und Veräußerung von Hilfsgütern profitiert, finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung.“
Laut COGAT, der israelischen Behörde für die palästinensischen Gebiete, wurden seit Ausbruch des Krieges insgesamt bereits etwa 2,2 Millionen Tonnen an Hilfslieferungen auf 111.540 LKW in den Gazastreifen eingeführt. (Stand November 2025) Diese Zahl umfasst alle Lieferungen von israelischer Seite, von UN-Hilfswerken und privaten Organisationen.
Bezüglich der Hilfslieferungen in den Gazastreifen existieren unterschiedliche Datensets und Zahlen von israelischen Behörden und UN-Werken (etwa OCHA), die sich teils massiv unterscheiden. Die UN berechneten einige Lieferungen der Gaza Humanitarian Foundation und auch von COGAT nicht in ihre Zahlen mit ein. Die GHF verteilte allein seit Mai 2025 mehr als 185 Millionen Mahlzeiten. Die UN-Statistik zeichnet demnach ein falsches Bild der Gesamtlage.
COGAT moniert in seiner Stellungnahme vom 22. August 2025: „Die Einstufung als Hungersnot basiert auf einer unveröffentlichten Telefonumfrage und fragwürdigen Einschätzungen der UNRWA, einer UN-Agentur, deren Mitarbeiter bekanntermaßen fester Bestandteil der Hamas sind, sowie lokaler NGOs, während wild über Sterblichkeitsraten spekuliert wird, die selbst das Gesundheitsministerium der Hamas nicht meldet. Der Bericht stützt sich außerdem in hohem Maße auf andere UN-Daten, von denen bekannt ist, dass sie nur unvollständige Informationen enthalten, voreingenommen sind und nicht-öffentliche interne Dokumente umfassen, von denen viele aus Quellen stammen, die mit dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium im Gazastreifen in Verbindung stehen. Dies macht eine unabhängige Überprüfung von Behauptungen, wie z. B. Tausende unterernährte Kinder und kürzlich aufgetretene Todesfälle aufgrund von Hunger, unmöglich. Der Umstand, dass sich der IPC stark auf Daten der Vereinten Nationen stützt und die Daten von COGAT, der israelischen Stelle, die die humanitären Bemühungen koordiniert, nicht in seine Untersuchung einfließen lässt, stellt einen weiteren schwerwiegenden methodischen Mangel dar, der die Glaubwürdigkeit und Integrität der Ergebnisse untergräbt.“
Die Analyse der Lebensmittelhilfsgüter, die laut COGAT per LKW in den Gazastreifen gelangten, ergab, dass seit Anfang August 2025 täglich 4400 Kalorien pro Person nach Gaza gelangten. Das ist viel mehr als die 2500 Kalorien, die ein erwachsener Mann pro Tag benötigt, Frauen und Kinder benötigen weniger. Dies widerlegt den Vorwurf, Israel verfolge Politik oder Strategie der Aushungerung.
Erschwerend zur ohnehin schwierigen Datenlage, mitten in einem Kriegsgebiet, aus dem die Hamas wirkungsvolle Propaganda betreibt und keine freie Berichterstattung zulässt, kommen Medienberichte hinzu, die unkritisch Zahlen, Bilder und Narrative der Hamas wiedergeben. So veröffentlichten einige Leitmedien Bilder von scheinbar verhungernden Kleinkindern und Jugendlichen (zum Beispiel die New York Times oder der Stern) bei denen es sich um bereits zuvor an schweren Krankheiten oder genetischen Defekten leidende Menschen handelte. Die Bilder und die Begleittexte suggerierten, der Militäreinsatz Israels sei verantwortlich für das Leid dieser Kinder. Wiederum wurden Fakten – hier in Form von Bildern – auf irreführende Weise eingesetzt, um Israels Reputation zu beschädigen, wie unter anderem der Nahost-Thinktank mena-watch berichtet.
Völkermord
Bereits am 29. Dezember 2023 erhob Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eine Völkermord-Klage gegen Israel. Das israelische Außenministerium wies diesen Vorwurf entschieden zurück. Sicherlich gab es Politiker in Israel, die unter dem Schock des Terror-Massakers vom 7. Oktober 2023 genozidale Aussagen getätigt haben (etwa Itamar Ben-Gvir und Nissim Vaturi). Allerdings wurde diesen Aussagen von offizieller israelischer Seite widersprochen. Zu keiner Zeit bildeten sie die militärische Doktrin oder Befehlslage ab. Die dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu und seiner Regierung unterstellte, spezifisch genozidale Absicht (lat. dolus specialis), ist künstlich konstruiert und haltlos.
Anders als bei tatsächlichen Völkermorden in der Geschichte (etwa dem Genozid an den Armeniern 1915-1916 oder der Schoah) gab es für den Militäreinsatz Israels einen konkreten Anlass, nämlich das genozidale Massaker der Hamas in Südisrael am 7. Oktober 2023 mit etwa 1200 Toten, 5000 Verletzten und 250 Geiselnahmen. Damit zeigt sich bereits in der Entstehung der tragischen Ereignisse im Gazastreifen ein fundamentaler Unterschied zu einem aus religiösen oder rassistischen Motiven verübten Genozid.
Auch das in Reaktion darauf, im Rahmen der Verteidigung erfolgte militärische Vorgehen der israelischen Verteidigungsarmee (IDF) im Gazastreifen zeigt, dass der Vorwurf des Völkermords falsch ist. In Gaza herrscht Krieg, doch es findet kein willkürliches Morden von Palästinenserinnen und Palästinensern statt. Militärexperten anderer Militärs bestätigen das, etwa Hauptmann Richard Kemp der britischen Armee oder Major John Spencer, Leiter des Urban Warfare Institutes an der Militärakademie Westpoint, der sich direkt vor Ort Einblicke verschafft hat:
„Seit dem 7. Oktober war ich vier Mal in Gaza, eingebettet in die israelischen Streitkräfte. Ich habe den israelischen Premierminister, den Verteidigungsminister, den Stabschef der israelischen Streitkräfte, die Führung des Südkommandos und Dutzende von Kommandanten und Soldaten an der Front interviewt. Ich habe ihre Befehle überprüft, ihren Zielauswahlprozess beobachtet und gesehen, wie Soldaten echte Risiken eingegangen sind, um Zivilisten nicht zu schaden. Nichts, was ich gesehen oder untersucht habe, ähnelt einem Völkermord oder einer genozidalen Absicht.”
Die israelische Armee unternimmt größte Anstrengungen zur Vermeidung ziviler Opfer: Sie warnt die Zivilbevölkerung im Gazastreifen regelmäßig mit Flugblättern, Anrufen und Rundfunkdurchsagen vor militärischen Operationen und hat eigens ein webbasiertes System zur Erkennung und Vermeidung von Kampfzonen für die Palästinenser errichtet, das aufzeigt, wo in Gaza aktuell gekämpft wird. Zudem wurden humanitäre Korridore eingerichtet, um die Flucht aus diesen aktiven Kriegszonen zu ermöglichen. All dies steht der These von einem Völkermord durch die israelischen Streitkräfte entgegen. Zu den Opferzahlen gibt es hier einen gesonderten Artikel.
Zur Gesamtbetrachtung der Lage gehört auch, dass viele der militärischen Einrichtungen der Hamas sich in und unter zivilen Einrichtungen im Gazastreifen befinden. Damit ist bei israelischen Militäraktionen stets die Gefahr gegeben, dass Palästinenser (als Schutzschilde der Hamas) zu Schaden kommen. Das Opfern der eigenen Zivilbevölkerung gehört zur perfiden Kriegsstrategie der Terroristen. Hinzu kommt, dass die Hamas auch Teenager als Kämpfer und Kinder als Hilfskräfte einsetzt. Während diese Terror-Organisation gezielt israelische Zivilistinnen und Zivilisten angreift und tötet, richtet sich der Einsatz der IDF auf die Zerschlagung der Terrorinfrastruktur und die Freilassung der verbliebenen Geiseln (die am 13. Oktober 2025 erfolgte). Stand 21. November 2025 befinden sich noch immer drei Leichname israelischer Geiseln in den Händen der Hamas.
Auch die reine Logik widerspricht der Genozid-These. Denn angesichts der enormen Fähigkeiten und Feuerkraft der israelischen Luftwaffe, wie sie sich beispielsweise in dem Zwölf-Tage-Krieg mit dem Iran gezeigt hat, muss gefragt werden, wieso die israelische Armee das Leben der eigenen Soldatinnen und Soldaten in einer Bodenoffensive aufs Spiel setzt. Wollte Israel tatsächlich einen Völkermord verüben, wäre dies ohne den Einsatz von Bodentruppen durch flächendeckende Luftangriffe viel einfacher zu bewerkstelligen. In Gaza agiert die Luftwaffe hingegen fast ausschließlich mit smarten Bomben. Israel zahlt einen hohen Blutzoll für die Entscheidung, chirurgisch und ausschließlich gegen die Hamas und andere Terrororganisationen im Gazastreifen zu kämpfen. Fast 1000 israelische Soldaten haben in diesem Kampf bislang ihr Leben gelassen.
Opferzahlen
Im Gazastreifen gibt es keine unabhängigen Behörden. Die Hamas kontrolliert auch die Kommunikation der Todeszahlen aus Gaza, sind sie doch wesentlicher Bestandteil ihrer Propagandabemühungen. Zwei „Behörden“ in Gaza kommunizieren Opferzahlen nach außen, das Gesundheitsministerium (GM) und das Government Media Office (GMO). Gabriel Epstein vom Washington Institute for Near East Policy kommt in einer äußerst detaillierten Analyse der aus Gaza gemeldeten Zahlen zu folgendem Schluss:
„Die Behauptungen zweier Einrichtungen in Gaza, des Government Media Office (GMO) und des Gesundheitsministeriums, sind nach wie vor völlig unvereinbar. Insbesondere das GMO veröffentlicht seit über einem Jahr falsche und unbegründete Zahlen, auf die sich keine glaubwürdige Nachrichtenagentur, Regierung oder Organisation stützen sollte.“
Wir beschäftigen uns im Folgenden ausschließlich mit den Zahlen des Gesundheitsministeriums. Schon der regelmäßige Hinweis vieler Zeitungen und TV-Sender, die Opferzahlen aus dem Gazastreifen könnten nicht unabhängig überprüft werden, zeugt von der Komplexität dieses Themas. Der katarische Sender Al-Jazeera spricht von 65.344 Getöteten. Die deutsche Tagesschau geht zur gleichen Zeit (Stand September 2025) von 64.000 Toten aus, bezieht sich dabei aber explizit auf Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen.
Doch an diesen Angaben häuft sich die Kritik, sie betrifft folgende Punkte:
- Das Verhältnis von Frauen, Kindern und Männern unter den Getöteten
- Das Verhältnis von Kombattanten zu Zivilisten unter den Getöteten
- Die Methodik zur Erhebung der Daten
- Gefälschte Ausweisnummern und natürliche Tode
Abraham Wyner, Daten-Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania bezeichnet die Zahlen des Gesundheitsministeriums im März 2024 als „statistisch unmöglich”. Wyner leitet aus den gemeldeten Daten der Gesundheitsbehörde ab, nach welcher Methode die Hamas-Behörde ihre Zahlen eruiert hat: „Höchstwahrscheinlich hat das Ministerium der Hamas willkürlich eine tägliche Gesamtzahl von Toten festgelegt. Wir wissen dies, weil die täglichen Gesamtzahlen zu konsistent steigen, um real zu sein. Dann haben sie etwa 70 % der Gesamtzahl Frauen und Kindern zugeordnet und diesen Betrag von Tag zu Tag zufällig aufgeteilt. Anschließend haben sie die Anzahl der Männer entsprechend der vorab festgelegten Gesamtzahl ergänzt. Dies erklärt alle beobachteten Daten.“
Als dieser Betrug der Hamas aufflog, scheint der Umstand auch in Gaza angekommen zu sein, denn Epstein weist nach, dass die Gesundheitsbehörde nur einen Monat später, ab April 2024 damit begann, ihre Zahlen nachträglich zu überarbeiten, ohne dies zu kommunizieren. Klassische Vertuschung. Das Auffliegen des Bluffs und die Überarbeitung der Daten der Gesundheitsbehörde hatte außerdem zur Folge, dass auch die UN ihre Zahlen korrigieren musste. Sie hatte die Zahlen getöteter Frauen und Kinder als doppelt so hoch angegeben! Die zeitliche Abfolge und Korrelation der korrigierten Zahlen ist ebenso verblüffend wie aufschlussreich, deckt sie doch den ganzen PR-Mechanismus der Hamas auf, der bis dahin ungestört die israelkritische Berichterstattung der Welt befeuerte: Die Hamas veröffentlichte zumindest fingierte, vielleicht gar rein fiktive Zahlen, die von der UN übernommen und dann von der Presse als offizielle UN-Zahlen medial weiterverbreitet und verkauft wurden. Was für eine Farce! Tatsächlich sind fast 50% aller Todesopfer im Gazastreifen laut Epsteins Auswertungen der GM-Daten Männer im kriegsfähigen Alter, er zeigt, dass: „erwachsene Männer in der Zahl der Todesopfer (49,3 %) im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil (26 %) überproportional vertreten sind, wobei Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren 2,85-mal häufiger sterben als Frauen. Zwar sterben Männer in Kriegszeiten generell häufiger als Frauen, doch spiegelt dieses Ungleichgewicht zweifellos die bedeutende Präsenz von Kombattanten in der Statistik wider.“
Ein weiterer Kritikpunkt, der hier genannt wird: Die gemeldeten Zahlen unterscheiden nicht zwischen Kombattanten, also Hamas-Terroristen und Zivilisten, das heißt gewöhnlichen Palästinenserinnen und Palästinensern im Gazastreifen. Für eine seriöse Einordnung dessen, was in Gaza geschieht, ist diese Unterscheidung wesentlich, denn die Terroristen will Israel legitimerweise töten, die Zivilisten nicht. Der diplomatische und politische Druck auf Israel ist proportional zur Höhe der Todesopfer in Gaza. Die anonyme Einberechnung getöteter Terroristen in die Gesamtzahl bewirkt, dass militärische Erfolge sich diplomatisch gegenteilig für Israel auswirken.
Hinzu kommt, dass vom GM in die Gesamtzahl auch Todesfälle mit natürlichen Ursachen wie Krankheit und Alter miteingerechnet wurden und dass nicht jeder Eintrag in der Statistik durch eine Leiche belegt ist, sondern auch von Verwandten gemeldete oder anhand von Medienberichten angenommene Todesfälle Eingang finden. Diese Methodik ist sehr manipulations- und fehleranfällig. Epstein enthüllte erstmalig, dass die Hamas auch gefälschte Ausweispapiere für die Totenidentifikation nutzte, in der Spitze beruhten 2200 Einträge (knapp 9% der Gesamtheit) auf gefälschten Ausweispapieren! Skandalös ist außerdem die Tatsache, dass selbst Tote, die durch fehlgeleitete Raketen oder Hinrichtungen der Hamas und des Palästinensischen Islamischen Dschihads verursacht wurden, in die offizielle Statistik einflossen, wie etwa bei einer Explosion im Al-Ahli-Krankenhaus am 17. Oktober 2023 mit angeblich 470 Toten.
Abgeleitet von der Zahl der Todesopfer in Gaza werden oft Aussagen über die Verhältnismäßigkeit israelischen Handelns getätigt. Verhältnismäßigkeit im militärischen Sinne unterscheidet sich jedoch von der Verwendung des Begriffs in der Alltagssprache. Dabei müssen in der militärischen Planung zunächst das Ziel des Einsatzes, die potenziellen Risiken und das Verhältnis zwischen dem zu erreichenden militärischen Vorteil und dem zu erwartenden Schaden für Leib und Leben, sowie Infrastruktur von Zivilisten miteinander abgeglichen werden. Wenn im Ergebnis eine Verhältnismäßigkeit angenommen werden kann, wird der Militärschlag freigegeben. Erst im Nachgang kann ein finales Urteil über Verhältnismäßigkeit oder Unverhältnismäßigkeit gefällt werden – und zwar nur auf eine Weise: Indem die Planung des Militärschlags mit dem Ergebnis nach seiner Durchführung verglichen wird. Es ist stark zu bezweifeln, dass diejenigen Stimmen, die Israel Unverhältnismäßigkeit vorwerfen, Einblick in die israelische Militärplanung haben. Ihr Urteil kann demnach nicht fundiert sein. Es gibt immer wieder gemeinsame Auswertungen von Militär zu Militär, in denen befreundete Militärs Einblicke in die israelische Planung und Durchführung seiner militärischen Einsätze erhalten, etwa das US-Militär. Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff der US-Armee, General Martin E. Dempsey beispielsweise kam zu dem Schluss: „Ich kann mit Zuversicht sagen, dass Israel verantwortlich gehandelt hat.” Auch John Spencer, der Direktor des Urban Warfare Institutes an der US-Militärakademie Westpoint, ist überzeugt: „In jedem vergleichbaren Kontext ist das Verhältnis zwischen Zivilisten und Kombattanten in Israel angesichts der getroffenen Vorsichtsmaßnahmen immer noch historisch niedrig. Israel hat mehr getan und mehr Maßnahmen ergriffen, um Schäden an Zivilisten zu verhindern, als jede andere Armee in der Geschichte der urbanen Kriegsführung.“ Leitend für jede legitime Kriegsführung muss die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten sein, also der Schutz von Zivilisten. Dass in jedem Krieg der Menschheitsgeschichte unschuldige zivile Opfer zu beklagen waren und sind, ist ebenso schrecklich wie unvermeidlich. Auch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg konnten in ihrem Kampf gegen Nazi-Deutschland nicht ohne die Inkaufnahme von zivilen Opfern gewinnen, etwa bei der Bombardierung Dresdens 1945. Der Lackmustest für jedes militärische Vorgehen muss dabei – wie oben beschrieben – die Verhältnismäßigkeit und die Plausibilität des Einsatzes sein. Beides ist in Gaza gegeben.
Spencer zufolge sind die Leistung der IDF in Gaza, ihre Fähigkeiten und Aktionen „zweifellos Ausdruck einer moralischen, ethischen und disziplinierten Streitkraft, die in einem der komplexesten urbanen Szenarien, mit denen ein Militär in der modernen Geschichte konfrontiert war, Einzigartiges geleistet hat.“
