• Graffiti mit dem Portrait von Matan in den Farben seines Fußballvereins Maccabi Haifa im Park von Kirjat Bialik. Alle Fotos: CSI
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Warten auf die Geiseln: Matan Angrest

editor - 15. August 2025

Kaum eine Wunde seit Beginn des Krieges, der mit dem Massaker der Hamas in den Kibbutzim am Gazastreifen am 7. Oktober 2023 begann, schmerzt in Israel so sehr wie der Zustand, dass sich immer noch 50 israelische Geiseln in den Händen der Hamas befinden. Unsere Mitarbeiter Markus Neumann und Anemone Rüger haben die Mutter von Matan Angrest in Kirjat Bialik besucht, einer von deutsch-jüdischen Einwanderern gegründeten Kleinstadt nördlich von Haifa.

Von Anemone Rüger

Mit etwas Herzklopfen nähern wir uns der Tür. Werden wir die richtigen Worte finden? Werden wir irgendeinen Funken Hoffnung bringen können?

Uns kommt eine freundliche, aber von Schmerz und Sorgen gezeichnete Frau entgegen. Das Wohnzimmer ist gefüllt mit Bildern von Matan – Matan mit Freunden, Matan mit seinem Fußballverein Maccabi Haifa, Matan in Uniform. Wir überreichen unseren Blumenstrauß, und so etwas wie ein Lächeln huscht über Anats Gesicht.

„Am 7. Oktober morgens habe ich Matan noch eine Nachricht geschickt und gefragt: ‚Ist alles okay bei euch? Wir haben ja überall Luftalarm.‘ Er war mit seiner Einheit in Nachal Oz. ‚Alles okay, Mama, mach dir keine Sorgen, ich melde mich später‘, kam von ihm zurück. Das ist das letzte, was ich von ihm gehört habe“, berichtet Matans Mutter.

Als Matan und seine Kameraden merkten, dass Terroristen über die Grenze eingedrungen waren, rückten sie mit ihrem Panzer schnell vor, um die Grenze zu sichern.

Umzingelt

„Matan war mit drei anderen jungen Soldaten in einem Panzer“, berichtet seine Mutter. „Dann wurden sie angegriffen, mit Panzergranaten. Als die Terroristen eine Stunde später zu seinem Panzer kamen, waren Matans drei Kameraden tot. Matan war schwer verletzt. Sie haben ihn bewusstlos aus dem Panzer gezogen und ihn dann als Geisel genommen.“ Die Familie Angrest erfuhr erst viel später davon, nach Wochen bangen Wartens.

CSI-Vorstandsmitglied Markus Neumann im Gespräch mit Matans Mutter Anat (2.v.l.) und Mitarbeiterinnen der Stadt.

„Wir haben drei Wochen nichts von ihm gehört. Dann bekamen wir die Information, dass sein Handy im Gazastreifen lokalisiert worden war und dass er wahrscheinlich als Geisel genommen wurde. Aber erst im November, als die ersten Geiseln freikamen, haben wir von ihnen direkt gehört, dass sie Matan gesehen haben und dass er lebt. Inzwischen hat die Hamas einige Videos mit ihm veröffentlicht. Wir wissen es natürlich nicht genau, aber es gibt viele Hinweise, dass er lebt.“

Opa Uri Weiss – als Kind vor dem Holocaust gerettet

Ihre Eltern seien beide Holocaust-Überlebende gewesen, erzählt Anat uns, während sie die Blumen ins Wasser stellt. Die Mutter aus Bulgarien, der Vater, Uri Weiss, aus Jugoslawien.

„Er kam aus einer großen Familie in der Nähe von Lublin“, so Anat. „Als ihr Heimatort besetzt wurde, gaben die Eltern meinen Vater, der damals drei war, an die Nachbarn, eine christliche Familie. Sie haben ihn versteckt und konnten ihn retten. Von seinen Angehörigen hat mein Vater nie wieder etwas gehört. Es gibt keinerlei Spuren, keine Dokumentation, was mit ihnen geschehen ist. Mit sechs Jahren fand sich mein Vater auf einem Schiff voller Waisenkinder wieder, die in Israel einwanderten. Später tauchte noch ein Onkel von ihm auf, der überlebt hatte und der ihn bei sich aufnahm.“

Ihr seid nicht allein

Schließlich zückt Markus sein Handy und spielt Anat ein Video vor – von den Solidaritätskundgebungen für die Geiseln in Altensteig, die jeden Sonntagabend stattfinden. Jetzt hellt sich Anats Gesicht auf. „Wow, das tut so gut zu hören,“ sagt sie. „Jede Hilfe, die wir bekommen können, bedeutet uns viel. Zu wissen, dass wir nicht ganz allein sind. Zu wissen, dass noch jemand hinter uns steht. Das gibt uns Hoffnung weiterzuleben. Wir warten darauf, dass Matan nach Hause kommt. Er hat schon zwei Geburtstage in Gefangenschaft begangen. Wir warten darauf, die ganze Stadt wartet darauf, dass wir seine Rückkehr feiern können.“

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